Persönlicher Rennbericht von Thomas Claas
„Das härteste Autorennen der Welt“
…titelte die „Motorsport Aktuell“ und sollte mal wieder Recht behalten.
Das 24h Rennen aus der Sicht eines Fahrzeugleiters (Audi TT-RS #111)
Mittwoch:
Ich komme am Mittwochabend ins Fahrerlager – als einer der letzten des Teams. Alles ist perfekt aufgebaut: Die Box, das Zelt, unser eigenes Reifenlager. Im Fahrerlager ist es merkwürdig ruhig, aber es ist ja auch erst Mittwoch… „Hallo“ sagen, ein kurzes Briefing, Abendessen – mehr ist mehr geplant an diesem Abend. Zu viert entscheiden wir uns für einen kleinen Besuch bei unserem treuen Fan Uwe vom „Ahab Fanclub“ ganz unten in der Klostertalkurve. Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft!
Donnerstag:
Nicht so recht ausgeschlafen aber bester Dinge komme ich zur Box. Fahrerbesprechung, Teambriefing – alles läuft sehr routiniert. Ich tue mich etwas schwer meinen erfahrenen Piloten ins Gewissen zu reden: „ Auto ganz lassen! Auf gelbe Flaggen achten…! Ach, Ihr wisst das doch alles selber…!“ Wir kennen uns alle schon seit vielen Jahren. Der erhobene Zeigefinger ist also nicht nötig. Im freien Training fahren Christoph und Elmar. Das Auto läuft perfekt. Die letzten Set-up Arbeiten bei KW auf dem 7-Poster haben sich bezahlt gemacht! Das ganze Wochenende wird nichts am Auto gedreht. Auf geht’s ins Q1. Dank unserer Qualifikation für das Top 40 Qualifying müssen wir auch hier nicht pushen. Die Fahrer drehen ihre Pflichtrunden und prüfen die Lichteinstellung. Wir schaffen nicht ganz unser Programm abzuspulen, da der Anlasser streikt. Nach dem Training steht ein kleiner Service an: „Schlüsselcheck“, Anlasser erneuern… Es ist 4 Uhr morgens als im Bett liege! Ein Großteil der Mechaniker schläft gar nicht. Unser zweiter TT-RS hat einen Unfallschaden und muss repariert werden. Die Jungs machen ihre Sache super - trotz Schlafentzug.
Freitag:
Nach 3 Stunden Schlaf steht das Q2 an. Elmar und Christoph spulen ihre letzten Pflichtrunden ab und Stefan steigt noch mal ins Auto um sich für das Top 40 warm zu fahren. Alles läuft planmäßig und wir haben mittags noch mal Zeit 1-2 Stündchen zu schlafen. Mir gelingt das nicht wirklich – zu viele Dinge gehen mir durch den Kopf: Haben wir an alles gedacht? Wird alles klappen? Was, wenn nicht…?
Top 40:
Als erstes Auto stehen wir am Ende der Boxengasse. Schon die Startaufstellung ist etwas Besonderes für uns. Um uns herum nur Audi R8, Mercedes SLS, Porsche 911 und BMW Z4. Und wir mitten drin mit unserem „kleinen“ (Na gut er ist 2 Meter breit und hat ne ordentliche „Theke J ) TT-RS mit 375 PS. Stefan fährt eine tolle 8:47. Das bedeutet Startplatz 38 – alles im grünen Bereich! Der Speed der GT3 ist unfassbar. Die Pole steht bei 8:18! Wieder checken wir das Auto. Alles Ok – keine Probleme. Ich ertappe mich beim Gedanken „Irgendwie läuft alles zu glatt…“.
Das Rennen:
Wir treffen uns um 10:30 im Zelt. Ich bin schon früher da. Sogar der Truck ist noch abgeschlossen. Ich finde einfach keine Ruhe bei dieser Veranstaltung! Ich fühle mich nicht fit, aber bereit für das was kommen mag. Die Spannung steigt. Die Startaufstellung beginnt um 13:30. Der Start erfolgt um 16:00 Uhr. Eine Ewigkeit? Von wegen! Die Zeit vergeht wie im Flug! Beim Tanken vor dem Start streikt die Zapfsäule und wir müssen eine andere nehmen. Trotz allgemeiner Hektik finden wir eine Lücke und machen den Tank randvoll. Noch mal gut gegangen… Wir stehen in der Startaufstellung. Es herrscht ein riesen Trubel. Die Fans strömen auf die Strecke. Überall Kameras und Autogrammjäger. Es ist warm. Nein, es ist heiß! Nirgends ist Schatten und die Sonne heizt den Asphalt ganz schön auf. Nicht optimal, da wir mit dem weichen Reifensatz aus dem Qualifying starten müssen. Ich wünsche mir Regen…
Der Start glückt! Jürgen lässt ein paar schnellere GT3 passieren – kein Problem! Aber er scheint sich nicht wohl zu fühlen, klagt über schwache Bremsen. Der Reifen war in der Tat nicht gut, wie sich später heraus stellen sollte. Im Bereich „Wehrseifen“ kommt Jürgen von der Strecke ab und berührt die Leitplanke. Die Meldung auf dem Funk schockt mich: „Ich bin eingeschlagen!“ Kurz darauf eine leichte Entwarnung: Jürgen kann weiter fahren, der Schaden kleiner als zuerst vermutet. Beim Boxenstopp reparieren wir nur notdürftig um später beim nächsten Pflichtstopp die Frontschürze und den linken Scheinwerfer zu tauschen. Die Jungs schaffen das in unfassbaren 2 Minuten! Weltklasse! Leider verfolgt uns das Pech weiter: Stefan hat einen Reifenschaden und muss eine kleine GP-Kursrunde drehen. Viele Konkurrenten trifft es in der Anfangsphase noch härter. Unser ehemaliger Lambo-Pilot Ralf Schall hat einen Reifenplatzer bei 280 km/h auf der „Döttinger Höhe“ – Aus die Maus… So wie vielen anderen auch. Die Fernsehbilder gleichen eher einem Schrottplatz als einem Autorennen. „So ein Wahnsinn!“ denke ich. Christoph steigt zum dritten Stint ins Auto und meldet sofort Vibrationen. Christoph ist ein super Techniker. Wenn er Probleme durchfunkt, hat dies meistens Hand und Fuß. In der Tat hat sich vorne rechts das Rad gelöst. Vermutlich ein Folgeschaden des Unfalls zu Beginn. Christoph steht in der „Arembergkurve“. Ich schicke meine Jungs mit Ersatzrad, Wagenheber und Schlagschrauber los. Sie sind schnell, aber bevor Christoph wieder fährt vergehen für mich 40 endlose Minuten. Es gibt nichts Schlimmeres als ein stehendes Auto und Totenstille auf dem Funk – das macht Dich wahnsinnig! Auf Platz 139 nehmen wir das Rennen wieder auf und es ist noch Zeit, viel Zeit! Der TT-RS läuft die Nacht über wie ein Uhrwerk. Wir sind schnell UND zuverlässig – so wie es geplant war. Die Nacht vergeht für mich wie im Flug. Die 9-Runden-Stints gehen für mich im Kommandostand ruckzuck vorbei. Allerdings setzt bei mir die Müdigkeit ein. Ich werde unkonzentriert. Ich klingele Fahrer Stefan aus dem Bett, obwohl er noch 2 Stunden Pause hat. Sorry, Kumpel! Als es hell wird sind wir da wo wir gestartet sind – Top 40! Gegen 8:00 Uhr denke ich: „Bald geschafft…“ Von wegen – noch 2-mal die VLN Distanz liegt vor uns. Unser R8 ist durch einen Unfall aus dem Rennen geworfen worden. Enttäuschung macht sich breit. Mein TT-RS ist das letzte Raeder-Auto im Rennen. Wir müssen durchhalten! Meine Autos kommen IMMER an! Gegen Mittag liegen wir auf Platz 27 – not bad! Vielleicht geht’s noch in die Top 20? Es kommt anders. Jürgen rollt in seiner letzten Runde ohne Sprit im „Breidscheid“ aus. „Sch… ich flipp aus! Wie konnte mir das passieren?“ Ich habe die Spritmenge falsch berechnet. Eigentlich die Höchststrafe für einen Fahrzeugleiter. Wir haben einen Spruch im Team: „Nach müde kommt doof!“ Klarer Fall! Wir verlieren zwei Runden, aber das Auto fährt wieder. Der Sieg in der SP4T ist uns eigentlich nicht mehr zu nehmen… Stefan fährt die erste Runde seines letztens Stints. Er funkt aus dem „Galgenkopf“: „Ich hab Qualm im Cockpit…!“ Tausend Gedanken gehen durch meinen Kopf: Elektrik? Vielleicht nur etwas was am Reifen schleift? Ich funke zurück: „Läuft der Motor normal, wie ist die Wassertemperatur?“ – „Motor läuft, Wasser 98°“. Der Motor scheint ok. Stefan kommt in die Box. Von weitem sehen wir Qualm vorne links aus der Motorhaube aufsteigen. Ich kann es nicht fassen! Wir öffnen die Haube. Überall ist Öl – Getriebeöl! Feierabend! Ende! Basta! Ich bin sprachlos, einfach nur leer. Wir werden nicht nach 24h die Zielflagge sehen! Wir treffen uns zur Besprechung im Zelt. Einige ringen mit den Tränen, Ich auch. Mein erster Ausfall mit einem Audi bei den 24h nach zuletzt zwei 2. Plätzen und einem Klassensieg…
Das Rennende erlebe ich schlafend auf dem Beifahrersitz meines Autos. Meine Freundin fährt mich nach Hause. Ich bin müde, müde und enttäuscht. Heute ist Dienstag und ich kann es immer noch nicht so recht begreifen. Die Eindrücke einer solchen Veranstaltung hinterlassen Spuren. Es ist einmalig, großartig, furchtbar, sensationell und grausam. Man muss es selber erlebt haben!
Ja, es ist das größte Autorennen der Welt!
In weniger als einem Jahr werden wir wieder am Start stehen und es besser machen! Ich bin mir sicher…! Die Uhr läuft!
Danke an alle Helfer, Mechaniker, Fans, Fahrer, Chefs usw……!!! Keep racing!!!